Koalitionsvertrag

4. Umwelt- und Naturschutz, Klimaschutz und Energie

  • 4.1 Umwelt- und Naturschutz

     

    Die Koalition verfolgt eine ökologische und nachhaltige Politik für Thüringen. Wir wollen eine grundsätzlich andere Politik im Dialog mit Verbänden, Gewerkschaften, sonstigen Akteurinnen und Akteuren sowie Betroffenen gestalten.

    Im Rahmen der Betrachtung ökologischer und ökonomischer Fragestellungen ist die Koalition geleitet von einem ganzheitlichen Grundgedanken guter Politik, die sich an dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung für Thüringen ausrichtet.

    Dabei stehen wir in der Verantwortung für die Natur als Existenzgrundlage der Menschen ebenso, wie der Implementierung, Umsetzung und Verstetigung ökologischer Prinzipien wie Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung unter Berücksichtigung ökonomischer und sozialer Belange in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens.

    Die Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie soll fortgeführt und weiterentwickelt werden.

    Bergbau

    Die Bewältigung der Folgen des früheren Thüringer Kalibergbaus stellt das Land noch immer vor große Herausforderungen. Die Altlastensanierung des Kalibergbaus muss auf eine tragfähige Grundlage gestellt werden.

    Die historischen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge mit der Schließung der Gruben im ostdeutschen Kalirevier sowie die Umstände und Folgen der finanziellen Beteiligung Thüringens an den Bergbaufolgelasten werden aufgearbeitet. Unterlagen der Landesregierung zur Schließung des Kalibergwerks in Bischofferode sollen öffentlich zugänglich gemacht werden.

    In Bestätigung der Beschlusslage des Thüringer Landtages aus der 5. Legislatur soll eine künftige Landesregierung auf dem Verhandlungswege die Beteiligung sowohl der Firma K+S als auch des Bundes an der Altlastenfinanzierung anstreben und ggf. rechtliche Schritte zur Durchsetzung der Thüringer Interessen einleiten bzw. fortführen.

    Wir lehnen eine weitere Versenkung der Kali-Abwässer in den Untergrund und deren Einleitung in die Werra übereinstimmend ab. Alle dafür notwendigen Schritte werden eingeleitet. Wir wollen schnellstmöglich einen guten Zustand der Werra erreichen. Die Koalition sieht dabei eine Möglichkeit unter anderen in der Wertstoffgewinnung aus Kaliabwässern.

    Auf Bundesebene setzen wir uns für eine Novellierung des Bundesberggesetzes ein, mit den Zielen, die Mitbestimmungsrechte zu stärken und die Bürgerbeteiligung zu verbessern. Es besteht Einigkeit, dass die Erkundung und Gewinnung von unkonventionellem Erdgas und die CO2-Verpressung (CCS) nicht zur Anwendung kommen darf. Thüringen wird entsprechende Initiativen zur Novellierung des Bundesberggesetzes unterstützen.

    Neue Gipsabbaugebiete sollen nicht mehr genehmigt werden. Die Landesregierung wird sich der Frage des großräumigen Grundwasseranstiegs als Bergbaufolge annehmen.

    Wasser- und Gewässerpolitik

    Dem Thüringer Landtag soll zeitnah ein Leitbild zur Wasser- und Gewässerpolitik vorgelegt werden. Dieses soll in den Bereichen Wasser, Abwasser, Gewässerschutz (Wasserrahmenrichtlinie, Zustand Gewässer 1. Ordnung und Gewässer 2. Ordnung), Fernwasser und Hochwasserschutz jeweils Bestandsanalysen, Problembeschreibungen sowie, mit Perspektive 2027, Lösungsstrategien beinhalten. Ziel ist dabei auch, das Verwaltungshandeln der Behörden möglichst zu vereinfachen und die Leistungsfähigkeit der Verwaltung zu verbessern.

    Wir wollen den Gewässerzustand in Thüringen weiter verbessern und insbesondere die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser gewährleisten.

    Bestehende Trinkwasserschutzgebiete sollen in ihrem Bestand weitgehend erhalten bleiben und in ihrer Qualität gesichert werden. Eine Privatisierung und weitere Zentralisierung der Wasserversorgung wird abgelehnt. Dort wo es sinnvoll und möglich ist, streben wir eine Nachnutzung der von der Thüringer Fernwasserversorgung zu unterhaltenden, aber nicht mehr benötigten Talsperren an.

    Die Thüringer Fernwasserversorgung ist transparent zu gestalten und ihre Aufsichtsführung zu demokratisieren. Wir prüfen eine Neuregelung zu herrenlosen Speichern und nicht mehr benötigen Brauchwasserspeichern der Thüringer Fernwasserversorgung. Dabei sind Ausnahmen für die Geltung von Talsperrenstandards zu prüfen.

    Die Koalition wird beim Thema Abwasserentsorgung zur Unterstützung des ländlichen Raumes neue Wege gehen, um die Gewässerqualität zu verbessern sowie ökologische Standards zu erfüllen, und dabei Varianten prüfen, die sowohl sozialen als auch Kosten-Aspekten Rechnung tragen.

    Das Land bekennt sich künftig auch zu alternativen und dezentralen Lösungen und unterstützt die Aufgabenträger der Abwasserbeseitigung. Zur Verbesserung der Akzeptanz der Abwasserbeseitigung werden künftig auch Gruppenlösungen für Kleinkläranlagen gefördert, sofern die betroffenen Grundstückseigentümer die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen haben. Dabei erfolgt eine Schwerpunktsetzung und zeitliche Streckung gemessen am Einfluss auf den Gewässerzustand. Effizienzkriterien sollen bei der Wahl geeigneter Mittel zum Erreichen der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie eine Rolle spielen. Die Beseitigung von Defiziten in der Gewässerstruktur (Querbauwerke, Ufer- und Sohlbefestigungen etc.) und die Reduzierung von Stoffeinträgen Dritter werden gleichrangig wie die kommunale Abwasserbehandlung behandelt.

    Die Anstrengungen zur Erreichung der Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie werden spürbar verstärkt und EFRE-Mittel weiterhin genutzt.

    Die Wiedereinführung der Verwaltungskostenfreiheit für Verwaltungsakte der Landes- und Kreisbehörden gegenüber den Zweckverbänden wird geprüft.

    Uferrandstreifen

    Um eine eigendynamische Entwicklung der Fließgewässer zu ermöglichen und den Stoffeintrag zu reduzieren, wird durch eine Anpassung des Wassergesetzes die Einbringung von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln von zehn Metern Uferrandstreifen verbindlich ausgeschlossen. Im Rahmen des Erosionsschutzes wird in Gewässerrandstreifen die Reduzierung des Ackerbaus angestrebt.

    Eine Nutzung des Uferrandstreifens als Grünland ist grundsätzlich zulässig.
    Eine landeseinheitliche gewässerübergreifende Gewässerunterhaltung und ein landeseinheitlicher Hochwasserschutz an Gewässern 1. und 2. Ordnung ist zu gewährleisten.

    Hochwasserschutz

    Für einen effektiven und natürlichen Hochwasserschutz ist eine überregionale Abstimmung unverzichtbar. Der Hochwasserschutz folgt der Maxime Vorsorge vor Nachsorge und Schadensbeseitigung. Das Landesprogramm Hochwasserschutz wird umgehend dahingehend angepasst.

    Zusätzlichen Retentionsflächen, der Auenrevitalisierung und vergleichbaren Maßnahmen soll künftig Vorrang vor technischen Hochwasserschutzmaßnahmen eingeräumt werden. Dazu erfolgt prioritär die Umsetzung der Maßnahmen des Nationalen Hochwasserschutzprogrammes in Thüringen. Ziel ist es, die Wasserrückhaltung in der Fläche und in den Flusstälern im Sinne eines nachhaltigen, vorbeugenden Hochwasserschutzes zu verbessern. Mit einem Auenprogramm sollen zusätzliche, natürliche Retentionsflächen entstehen.

    Weiterhin sollen geplante Deichrückverlegungen in dieser Legislaturperiode zügig umgesetzt und Polderprojekte geprüft werden.

    Bodenschutz / Flächenentsiegelung / Altlastensanierung

    Die Koalition unterstützt das nationale Nachhaltigkeitsziel, den Flächenverbrauch bis 2020 bundesweit auf 30 Hektar pro Tag zu senken. Dabei soll bezogen auf die Fläche Thüringens der Flächenverbraucht langfristig netto-Null betragen. Die Koalition ist sich darin einig, die in Thüringen eingeleiteten Maßnahmen zur Reduzierung und dem Stopp weiterer Flächenversiegelung konsequent fortzusetzen. Zu diesem Zweck soll im Freistaat ein verpflichtender Ausgleich durch Entsiegelung geschaffen und das Brachflächenkataster fortgeschrieben werden.

    Die Landesregierung wird sich für eine zusätzliche finanzielle Beteiligung des Bundes bei der Finanzierung von Maßnahmen einsetzen, die mit dem Generalvertrag über eine abschließende Finanzierung der ökologischen Altlasten in Thüringen vom 24. Februar 1999 durch das Land übernommen wurde.

    Die bodenschutzrechtliche Zuständigkeit für Maßnahmen im Rahmen der Freistellung der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH (LEG) nach dem Umweltrahmengesetz für das Großprojekt Rositz soll wegen der Komplexität und finanziellen Größenordnung vom Landkreis Altenburger Land auf das Land übertragen werden.

    Die Koalition wird die sogenannten Wismut-Altstandorte, die nicht im Aufgabengebiet der Wismut GmbH liegen, bewerten und, wenn erforderlich, angemessene Maßnahmen vornehmen. Thüringen wird dazu in Verhandlungen mit dem Bund über eine Kostenbeteiligung treten.

    Das Thüringer Altlastenkataster THALIS wird auf Aussagefähigkeit, Aktualität und Effektivität überprüft.

    Ökologische Abfallwirtschaft / Ressourcenschutz

    Die Koalition verfolgt das Ziel einer ökologischen Abfallwirtschaft, die Abfallvermeidung in allen Bereichen fördert, eine konsequente Kreislaufwirtschaft stärkt und hohe ökologische Standards sicherstellt.

    Der Schutz unserer natürlichen Ressourcen sowie der sparsame, effiziente Umgang mit Rohstoffen und Ressourcen und ihre Wiederverwendung sind uns wichtig. Sie finden bei künftigen landesrechtlichen Regelungen und beim staatlichen Handeln verstärkt Beachtung. Dazu gehört auch eine öffentliche Beschaffung, die Umwelt- und Sozial-Standards/Aspekte stärker als bisher berücksichtigt.

    Die koordinierende Abfallwirtschaftsplanung bleibt Aufgabe des Landes. Das Primat der ortsnahen Behandlung laut Abfallwirtschaftsplan werden wir konkretisieren.

    Wir sehen Chancen und Potenziale für Ressourceneffizienz insbesondere in der Kreislauf- und Abfallwirtschaft sowie in produzierenden Unternehmen. Nachweislich werden eventuelle kurzzeitige Mehrkosten kompensiert durch eine höhere Wettbewerbsfähigkeit als Green Economy und durch Einsparungen an Energie, Rohstoffen und geringerem Abfallaufkommen. Auf dem Weg zu einer ressourceneffizienten Wirtschaft wollen wir den Unternehmen mit einer Landesinitiative Ressourceneffizienz, insbesondere durch Information und gegenseitigen Austausch beratend zur Seite stehen.

    Die Verantwortung für die Abfallentsorgung ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und Aufgabe der Kommunen.

    Zur Umsetzung der fünfstufigen Abfallhierarchie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes setzen wir uns dafür ein, dass Wertstoffe so weit wie möglich im Kreislauf geführt werden. In den bestehenden Müllverbrennungsanlagen sollen die Anstrengungen zur Vorsortierung erhöht werden. Bei der Verbrennung von Müll als Ersatzbrennstoff sollen die gleichen Grenzwerte wie bei Müllverbrennungsanlagen gelten. Ausnahmetatbestände sollen weitestgehend reduziert und Grenzwerte am Ziel des Umwelt- und Gesundheitsschutzes ausgerichtet werden.

    Die Zuständigkeiten im Bereich der Umweltverwaltung sind mit dem Ziel der Stärkung der Effizienz und Leistungsfähigkeit neu zu regeln.

    Eine Beteiligung an der Umweltlotterie in Niedersachsen (Bingo Lotto) wird geprüft und – sofern die Prüfung ein positives Ergebnis erbringt – umgesetzt.

  • 4.2 Naturschutz

     

    Wesentliche Ziele des landesweiten Naturschutzes sind in der Biodiversitätsstrategie des Freistaates Thüringen zusammengefasst. Die Landesregierung verfolgt das Ziel, die bestehende Biodiversitätsstrategie ambitioniert auszugestalten und umzusetzen.

    Die Naturschutzverwaltung wird deutlich gestärkt.

    Die Landesregierung wird im Verlauf dieser Legislaturperiode aufbauend auf dem von der bisherigen Landesregierung verfolgten 25.000-Hektar-Ziel mindestens 5 Prozent des Waldes in Thüringen dauerhaft der forstwirtschaftlichen Nutzung entziehen. Die Landesregierung soll dazu ein Konzept entwickeln.

    Zur qualitativ anspruchsvollen Absicherung dieses Ziels werden mindestens drei großflächige Gebiete (insbesondere der Bereich Vessertal, Bereich Wartburg-Inselsberg, Bereich Hainleite/Possen) aus der Nutzung genommen; auf die Anrechnung weiterer sehr kleiner Flächen bzw. von Einzelbäumen wird verzichtet.

    Die so genannten Nationalen Naturlandschaften und auch Naturschutzprojekte sind ein großer Gewinn für Natur- und Artenschutz und gleichzeitig Impulsgeber für die Regionalentwicklung im ländlichen Raum sowie wichtige touristische Highlights. Wir werden deshalb die Nationalen Naturlandschaften, also den Nationalpark Hainich, sowie die bestehenden Biosphärenreservate und Naturparke weiter fördern und stärken. Der Nationalpark Hainich soll als naturschutzfachliches und touristisches Aushängeschild Thüringens eigenständig weiterentwickelt werden. Die personelle Ausstattung der Schutzgebietsverwaltung wird verbessert werden.

    Um die weltweit einzigartigen Gipskarstlebensräume des Südharzes dauerhaft zu schützen und eine nachhaltige Entwicklung der Region zu fördern, wird die Landesregierung die Ausweisung eines länderübergreifenden Biosphärenreservates gemeinsam mit den Bundesländern Niedersachsen und Sachsen-Anhalt anstreben. Zur Vorbereitung der Ausweisung des Biosphärenreservates wird die Landesregierung einen umfassenden moderierten Diskussionsprozess mit den Einwohnerinnen und Einwohnern der Region und allen betroffenen Interessengruppen führen. Hierzu soll der Naturpark „Südharz“ in öffentliche Trägerschaft überführt werden.

    Die Hohe Schrecke soll naturschutzfachlich weiterentwickelt werden. Hierzu werden die forstlich nutzbaren Flächen des WGT-Sondervermögens in der Hohen Schrecke für die Zwecke des Naturschutzes gesichert. Das erfolgreiche Regionalmanagement wird weitergeführt.

    Wir sehen großes Entwicklungspotenzial für die Etablierung eines auf der Schönheit unserer Natur und Landschaft beruhenden Tourismus, wie etwa dem Rad- und Wandertourismus oder dem Urlaub auf dem Bauernhof.

    Wir wollen die Stiftung Naturschutz strukturell stärken, damit sie ihre satzungsgemäßen und vom Freistaat übertragenen Aufgaben besser erfüllen kann. Dazu soll die finanzielle Ausstattung der Stiftung verbessert werden. Angemessene Wege dazu werden geprüft.

    Die Koalition will das Förderprogramm „Entwicklung Natur und Landschaft“ (ENL) als Rückgrat der Finanzierung von Naturschutzprojekten von derzeit vier auf fünf Millionen Euro im ersten Jahr mit einem jährlichen Zuwachs von einer Million Euro bis zum Ende der Legislatur haushaltsneutral durch Schwerpunktverlagerung aufstocken, den Mittelzugang erleichtern und dabei auch die Fördermittelabwicklung prüfen.

    Die Koalition wird die Umwelt- und Naturschutzverbände in ihrer Arbeit stärker unterstützen. Zu diesem Zweck sollen – im Dialog mit den anerkannten Umwelt- und Naturschutzverbänden – bestehende rechtliche Regelungen und Verwaltungsverfahren überprüft und ggf. angepasst werden. Um eine frühzeitige Bürgerbeteiligung sicherzustellen, werden Planungs- und Genehmigungsunterlagen digital aufbereitet und online zur Verfügung gestellt. Landesbehörden stellen sicher, dass anerkannte Naturschutzverbände aktiv über alle laufenden Genehmigungsverfahren mit Beteiligungsmöglichkeit informiert werden.

    Im Verlauf der kommenden Wahlperiode sollen für alle NATURA 2000-Gebiete Managementpläne erstellt und eine Schutzgebietssteuerung, z.B. durch mindestens zehn biologische Stationen, errichtet werden. Unter Abwägung der planungsrechtlichen Erfordernisse soll der verbindliche Schutz dieser Gebiete befördert werden.

    Wir werden das Grüne Band als Nationales Naturmonument ausweisen.

  • 4.3 Naturnahe Lebensräume / Klimaanpassung

     

    Die Landes- und Regionalplanung soll verstärkt Fragen der Klimaanpassung bearbeiten und dabei insbesondere Augenmerk auf einen vorsorgenden Hochwasserschutz legen, der ausreichende Überschwemmungsflächen sicherstellt und weiterer Bautätigkeit in Überschwemmungsgebieten entgegen wirkt.

    Die Koalition setzt sich für den Ausbau naturnaher Lebensräume und deren Entwicklung zu einem zusammenhängenden Biotopverbundnetz ein.

  • 4.4 Energetische Gebäudesanierung

     

    Die Koalition wird die energetische Sanierung von Gebäuden in geeigneter Weise befördern. Ziel ist es, jedes Jahr zwei Prozent aller Gebäude energetisch zu sanieren. Darüber hinaus streben wir an, die landeseigenen Gebäude und Liegenschaften klimaneutral zu entwickeln.

    Für Neubauten des Landes soll ab 2015 der Plusenergiestandard gelten, um die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand zu stärken. Bei Vollsanierungen von landeseigenen Liegenschaften sind die dadurch ermöglichten Energieeinsparungen für die Refinanzierung ebenso zugrunde zu legen, wie die Eignung der Gebäude und die Ökobilanz der Sanierungsmaßnahme selbst.

    Bei Sanierung streben wir deutlich über den gesetzlichen Vorschriften liegende Standards an, wobei der Energiebedarf 40 Prozent unter der jeweils gültigen EnEV liegen soll. Für Denkmale sind Wege zu suchen, die sie in ihrem Bestand erhalten und gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

    Neben hervorragenden Energiestandards wird die Koalition Qualitätsstandards zum nachhaltigen Bauen einführen. Bei Neubauten und Vollsanierung aller öffentlichen Gebäude wird ein Standard (vergleichbar dem Silberstandard der DGNB) für nachhaltiges Bauen entwickelt und verbindlich festgelegt. Ausgewählte Projekte werden in einem dem Goldstandard vergleichbaren Standard geplant und umgesetzt.

    Für Eigentümer mit geringerer Finanzkraft wollen wir die Spielräume für die Vorfinanzierung durch Dritte, wie z.B. die Thüringer Aufbaubank, erweitern. Die Tilgung der Investitionskosten soll aus den eingesparten Energiekosten erfolgen. Die Koalition betont, dass steigende Energiekosten nicht zu einer neuen sozialen Frage werden dürfen und ist sich ihrer dahingehenden Verantwortung bewusst.

    Die Koalition wird das Energiemonitoring an allen staatlichen Gebäuden verbessern.

  • 4.5 Klimaschutz und Energiewende

     

    Die Koalition will eine erfolgreiche Energiewende gestalten, die dezentral, regional und regenerativ ist. Dazu sehen wir es als notwendig an, die Zuständigkeiten zu bündeln. Auch die Landesinstitutionen werden dementsprechend gebündelt – in der Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur (ThEGA). Diese wird zur zentralen Landeseinrichtung für die Koordination und Beratung von Energie- und Klimaschutzprojekten für die öffentliche Hand, Unternehmen, Landwirtwirtschaftsbetriebe und Bürgerinnen und Bürgern.

    Die Koalition wird die regionalen Wertschöpfungspotenziale, die sich aus der außergewöhnlichen Ausgangslage Thüringens (Energie-Transitland, keine Großkraftwerke, starke kommunale Eigentümerschaft, hoher Stromimport, etc.) ergeben, sorgfältig analysieren. Insbesondere für den Zusammenschluss von Hybridkraftwerken (virtuelle Kraftwerke) ergeben sich Potenziale, die wir nutzen wollen.

    Thüringen muss die Chancen der Energiewende nutzen. Wir werden eine Energie- und Klimaschutzstrategie erarbeiten, die insbesondere Zeitschienen für den engagierten Ausbau erneuerbarer Energie, die deutliche Erhöhung der Energieeffizienz und den Ausstieg aus dem Import konventioneller Energieträger und mittels konventioneller Energieträger erzeugter Energie beinhaltet. Dazu bedarf es einer umfassenden, länder- und zuständigkeitsübergreifenden Kooperation und Abstimmung. Ohne Mitwirkung und Bereitschaft in der Bevölkerung kann die Energiewende nicht gelingen. Wir wollen transparente Verfahren und mehr Mitsprache und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.

    Gesetzgebung zur Erreichung der Energie- und Klimaschutzziele

    Wir bekennen uns dazu, dass Thüringen seinen Beitrag zur Erreichung des international anerkannten Zwei-Grad-Ziels leisten muss. Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Strom- und Wärmeerzeugung sowie zur Steigerung der Energieeffizienz werden verbindlich festgelegt.

    Mit einem Klimaschutzgesetz soll die Energie- und Klimapolitik im Freistaat mit verbindlichen Zielen und Zwischenzielen neu ausgerichtet werden.

    Die Thüringer Kommunen sollen bei der Erarbeitung und Umsetzung von Klimaschutzkonzepten unterstützt und Beratungsangebote für Unternehmen, Kommunen und Privathaushalte verstärkt und gebündelt werden. Mit großen Unternehmen in Thüringen strebt das Land freiwillige Klimaschutzvereinbarungen mit konkreten Maßnahmen zur CO2-Reduktion nach dem Vorbild anderer Bundesländer an.

    Die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand wird durch eine klimaneutrale Landesverwaltung bis 2030 deutlich gemacht. Durch die sukzessive Einführung von Umweltmanagement werden machbare und zielführende Schritte und Zeitfenster festgelegt.

  • 4.6 Energie- und Klimaschutzstrategie

     

    Die Herausforderung der Thüringer Energiepolitik liegt in der Verbindung folgender Elemente: Klima- und Umweltschutz, Naturschutz, Versorgungssicherheit, Verhinderung von Energiearmut, Akzeptanz für nachhaltige und zunehmend dezentralisierte Energieerzeugung und Energieinfrastruktur unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.

    Thüringen soll bis 2040 seinen Eigenenergiebedarf bilanziell durch einen Mix aus 100 Prozent regenerativer Energie selbst decken können. Bis zum Jahr 2020 wollen wir einen Anteil von 35 Prozent erneuerbare Energien am Endenergieverbrauch erreicht haben. Die Energiewende sichert und schafft Arbeitsplätze in Handwerk, Industrie und Forschung und ermöglicht die Demokratisierung der Energieversorgung, z.B. durch die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bei der Erzeugung.

    Zu diesem Zweck will die Koalition bis Ende 2015 eine »Thüringer Energie- und Klimaschutzstrategie 2040« verabschieden. Die Förderpolitik soll an den Zielen dezentraler Energieversorgung auf lokaler Ebene u.a. durch Energiegenossenschaften und andere Beteiligungsmodelle, Energieeffizienz, Energieeinsparung und Weiterentwicklung von erneuerbaren Energien und Speichertechnologien ausgerichtet werden und u.a. folgende Maßnahmen enthalten:

    • Regionale Planungsgemeinschaften und Bioenergiedörfer, Kommunen und Gebietskörperschaften werden in der Vorbereitung von Energieeffizienzmaßnahmen und von Energiekonzepten unterstützt,
    • -wir wollen die Energie-Versorgungspotenziale des Landes Thüringen stärken. Dazu wollen wir rentierliche Investitionen in den Anstalten öffentlichen Rechts der Fernwasserversorgung und des Thüringenforsts sowie in der Landgesellschaft, z.B. zur Errichtung von Anlagen zur Energieerzeugung ermöglichen,
    • Projekte kleiner und mittlerer Unternehmen zur Verbesserung der Energieeffizienz sollen durch Mittel des Landes, der EU und der Thüringer Aufbaubank gefördert werden,
    • EFRE-Mittel sollen so eingesetzt werden, dass die Forschung und Erprobung von Modellverfahren zu Speicherkapazitäten, der Entwicklung von Smart Grids und nachhaltiger Energieprojekte umfassend gefördert werden kann,
    • für Schulen soll ein gezieltes Förderprogramm entwickelt werden, für das die Standards für öffentliche Gebäude gelten,
    • es soll ein Bürgerenergieprogramm mit Unterstützung durch die ThEGA erarbeitet werden, um die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Kommunen an Energieprojekten zu fördern,
    • wir unterstützen rentierliche Investitionen in Energieeffizienz und Energieeinsparungen bei Kommunen.

    Die Überprüfung und Nachjustierung der Energiestrategie wird über ein regelmäßig durchzuführendes Energiemonitoring sichergestellt. Dieses Monitoring sollte durch einen Energiebeirat als Steuerungsgremium begleitet werden. Im Rahmen des Monitorings soll auch der Potenzialatlas „Erneuerbare Energien in Thüringen“ aktualisiert werden. Die Bereitstellung von aktuellen Daten für das Energiemonitoring sichert die Landesregierung in Verbindung mit dem Thüringer Landesamt für Statistik.

    Windenergie

    Der Ausbau der Windkraft soll in Thüringen durch wirksame Instrumente der Flächenausweisung vorangetrieben werden. Das Ziel besteht in einer Verdreifachung der Windenergienutzung von derzeit rund 0,3 auf 1 Prozent der Fläche Thüringens.Dazu werden wir einen Windenergieerlass zur Erreichung dieses Ziels für die regionalen Planungsgemeinschaften verabschieden und die Voraussetzungen für den Ausbau von Windkraftanlagen im Wald schaffen.


    Außerdem werden wir den Regionalen Planungsgemeinschaften eine Potenzialanalyse an die Hand geben, die sie bei der Ausweisung von Vorranggebieten unterstützt. Wir beteiligen uns an Initiativen, Windparks arten- und naturschutzgerechter zu entwickeln. Es soll hinsichtlich des Lärmschutzes jeweils der aktuelle Stand der Technik zur Anwendung kommen.

    In Nationalparks, Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten, Naturschutzgebieten, und Gebieten des Netzwerks Natura 2000 wird auch weiterhin keine Windenergie erzeugt werden.

    Wir wollen die Akzeptanz der Windenergie verbessern und wollen, dass Anwohner und Kommunen künftig direkt an den Erlösen neuer Windkraftanlagen beteiligt werden.

    Solarenergie

    Für den Ausbau der Solarenergie wird die Landesregierung Anreize schaffen. Maßnahmen zur deren Eigennutzung wird sie verstärkt unterstützen.

    Wir setzen uns für den Ausbau der solaren Wärmeerzeugung ein, auch um damit Nah- und Fernwärmenetze zu unterstützen.

    Wir werden zum Erreichen der Klimaschutzziele, den Ausbau der Solarenergie in Thüringen durch wirksame Instrumente vorantreiben. Fördern wollen wir zu diesem Zweck Kooperationsprojekte regionaler Akteure, wie Bürgerenergiegenossenschaften, Wohnungsgenossenschaften, landwirtschaftliche Betriebe und Stadtwerke, welche folgende Zielstellung haben:

    • den weiteren Ausbau der Solarenergie gemeinsam mit Kommunen und Bürgern,
    • verstärkte Eigennutzung von Solarenergie für Direktverbrauch und Mieterstrommodelle,
    • Chancengleichheit kleinerer Marktteilnehmer beim geplanten Ausschreibungsverfahren gemäß EEG 2014,
    • Erhöhung der Wertschöpfung in Thüringen.

    Die Koalition strebt an, sich im Bundesrat für eine grundlegende Reform des EEG und des Grünstrommarktdesigns einzusetzen, die wieder einen erhöhten Ausbau der solaren Energieerzeugung ermöglicht.

    Bioenergie

    Bei der Nutzung der Bioenergie setzt sich die Koalition für eine Flexibilisierung (z.B. zur Spitzenlasterzeugung) und eine verbesserte Wärmenutzung ein. Neue Biogasanlagen sollen vorzugsweise Reststoffe verwerten.

    Bürgerenergieberatungsprogramm

    Wir werden ein Bürgerenergieberatungsprogramm aufsetzen, das die Förderung der Erstellung eines Sanierungsfahrplans für private Gebäude umfasst.

    Stärkung kommunaler Aktivitäten und Ausbau der Forschung

    Die Thüringer Energie AG, Stadtwerke und Kommunen sind wichtige Partner bei der Energiewende. Ihre Stärkung ist uns ein wichtiges Anliegen. Über Anpassungen des Landesrechts sollen die wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der Kommunen und Landkreise im Bereich der erneuerbaren Energieversorgung so weit wie möglich gefasst werden. Insbesondere sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass auch kreditähnliche Rechtsgeschäfte der Kommunen genehmigt werden können, sofern sie rentierlich sind. Dies gilt insbesondere auch für Kommunen in der Haushaltssicherung.

    Kommunale Konzepte, die Thüringer Energie AG, Stadtwerke und Energiegenossenschaften werden unterstützt, denn Energie in Bürgerhand fördert die Akzeptanz der Energiewende, schafft individuelle Teilnahme und sensibilisiert für ein nachhaltiges Zeitalter. Auf diese Weise werden die Erlösströme in unsere Region geführt.

    Die Kommunen werden dabei unterstützt, Managementsysteme der kommunalen Energie- und Klimaschutzpolitik, wie den European Energie Award einzuführen.

    Die Chancen der lokalen Akteure zur Teilnahme an Bundesförderprogrammen wollen wir durch zielgerichtete Unterstützung erhöhen.

    Um den Wissenstransfer in den Bereichen Energieeffizienz, Speichertechnologien und Energiemanagement zu intensivieren, unterstützt die Koalition eine bessere Vernetzung von Hochschul- und Forschungseinrichtungen. Es besteht zudem Einigkeit, dass der Energieforschung im Bereich der erneuerbaren Energien und deren Förderung künftig ein höherer Stellenwert eingeräumt wird. Eine besondere Rolle sollen dabei künftig Forschungsvorhaben spielen, die für Thüringen von zentraler Bedeutung und für eine erfolgreiche Energiewende relevant sind.

    Fortentwicklung der ThEGA

    Die regionale Wertschöpfung im Bereich der Erneuerbaren bietet erhebliches Potenzial. Die Koalition wird die Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur (ThEGA) deshalb als zentrale Koordinierungs- und Beratungsstelle der Energiewende stärken und sie zu einer Ressourceneffizienz-Agentur weiterentwickeln. Alle Angebote des Landes werden künftig bei der ThEGA gebündelt. Doppelstrukturen werden beseitigt und die ThEGA konsequent zu einer Netzwerk-, Cluster- und Berater-Institution ausgebaut, bei der alle landesweit relevanten Aktivitäten gebündelt werden. Die Struktur der ThEGA soll weiterentwickelt werden.

    Die ThEGA, und die Bioenergie-Beratung Thüringen (BIOBETh) werden miteinander verschmolzen. Eine Integration der Thüringer Klimaagentur wird geprüft.

    Es besteht Einigkeit, dass die ThEGA einen Fokus auf die Energiewende im Gebäudebereich legen muss. Dazu wird die Landesregierung u.a. eine Förderinitiative für kommunale und Quartiers-Wärmekonzepte (Energiesparpläne) starten. Damit soll das Erstellen von Wärmekonzepten in den Kommunen Thüringens unterstützt und ermöglicht werden. Das Beratungsangebot der ThEGA wird deutlich ausgebaut und es werden Landesmittel zur Kofinanzierung der Erstellung von Wärmekonzepten bereitgestellt.

    Umgang mit Energiegroßprojekten und -speichern

    Die Koalition bekennt sich zur Entwicklung von Speicher-Technologien und deren Anwendung in Thüringen.

    Im Genehmigungsverfahren zu Energiegroßprojekten treten die Parteien für ein hohes Maß an Bürgerbeteiligung ein. Wir werden vor und im Genehmigungsverfahren und während der Umsetzung von Großprojekten die Bürgerbeteiligung stärken.

    Die Koalition initiiert einen Prozess der Verständigung zur ergebnisoffenen, fairen, vorförmlichen Bürgerbeteiligung bei Großprojekten. Dieser Prozess soll in einem Codex für Bürgerbeteiligung münden, den ein möglichst breites Spektrum an Partnern (Bürgerinnen, Bürger und Träger öffentlicher Belange, Politik und Verwaltung sowie Vorhabenträger) vereinbart.

    Energiegesetzgebung

    Bei der künftigen Energiegesetzgebung des Bundes wird das Land einen Schwerpunkt auf die Erhaltung der Akteursvielfalt (dezentral, regional und in Bürgerhand) legen. Dies betrifft insbesondere die weitere Ausgestaltung und Weiterentwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). So wollen wir Bürgerenergieprojekte, z.B. im Rahmen der geplanten Ausschreibungsverfahren, stärken und ein Monitoring der Wirkungen der EEG-Novelle 2014 auf die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Thüringen auf den Weg bringen. Wir setzen uns für einen fairen bundesweiten Lastenausgleich ein (z.B. Netznutzungsentgelte).

    Gleichzeitig wollen wir die Rolle der Kraft-Wärme-Kopplung als flexibler Partner der erneuerbaren Energien stärken. Damit soll die hohe Versorgungssicherheit bei der Umstellung der Energieversorgung erhalten werden.

    Mit der weiteren Dezentralisierung der Erzeugung werden wir Innovationen in den Energienetzen (Smart Grids) anregen und die Speicherung von Strom und Wärmeüberschüssen fördern.

    Die Umsetzung des Nationalen Energieeffizienz-Aktionsplans werden wir kritisch begleiten.

    Um- und Ausbau der Stromnetze

    Der Um- und Ausbau der erneuerbaren Energien und der Um- und Ausbau der Netze müssen synchronisiert werden. Bei der Fortentwicklung des Netzentwicklungsplans als Grundlage für den Bundesbedarfsplan setzt sich die Koalition für eine kritische Überprüfung ein. Dabei ist der tatsächliche Energiebedarf zugrunde zu legen und nicht Überkapazitäten aus vorhandener konventioneller Energieerzeugung. Im Mittelpunkt steht die bedarfsgerechte regionale erneuerbare Energieerzeugung.

    Es wird geprüft, ob rechtliche Möglichkeiten bestehen, das Genehmigungsverfahren für den 3. Bauabschnitt der Südwestkuppelleitung so lange auszusetzen, bis das am Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren entschieden ist.