Der Schlag ins Gesicht - ein Leserbrief

Thomas Heine
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Leserbrief zum Artikel „Schlag ins Gesicht aller Einwohner“, Freies Wort vom 13.01.2017

Bisher habe ich ja gedacht, die selbsterklärte Thüringenpartei kommt vor Lachen nicht in den Schlaf und lässt mindestens einmal wöchentlich die Korken knallen, ob der von R2G in Angriff genommenen, weil bitter nötigen Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform. Als selbstgefühlte Regierungspartei in spe – wer soll die in Erfurt jetzt noch wählen – präsentiert man die sektgeröteten Wangen den Bürgerinnen und Bürgern als Zornesröte und preist die Resultate eben jenes Reformprozessen insgeheim schon mal ein. Immerhin entspricht das was Rot-Rot-Grün tut im Wesentlichen dem, was die vormals selbst eingesetzte Expertenkommission vorgeschlagen hat, man aber in Anbetracht anstehender Landtagswahlen schnell in der Versenkung verschwinden ließ. Stattdessen wurde von einer Regierungskommission keine zwölf Monate vor der letzten Landtagswahl der Reformbedarf Thüringens auf ein Abschmelzen von Landesverwaltung, Polizei und Lehrerschaft reduziert, nachzulesen im „Reformkonzept 2020“ der alten Landesregierung vom November 2013.

Nun hat die Rot-Rot-Grüne Landesregierung das Landesverfassungsgericht angerufen, um die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens wider die Gebietsreform feststellen zu lassen und die selbsternannten Gralshüter direkter Demokratie in Thüringen bekommen glänzende Augen, um gleich danach in sektschwangerer Zornesröte zu verkünden das wäre ein „Schlag ins Gesicht aller Einwohner“. Das ist nicht nur doppelzüngig, das ist Demagogie vom Feinsten, denn ohne die Fraktion der Empörten, die mehr als ein Drittel der Abgeordneten im Thüringer Landtag stellt, ist keine Verfassungsänderung zu machen. Und nicht nur das. Nach wie vor sperrt sie sich vehement gegen eine Änderung der Landesverfassung in der Frage der Zulässigkeit von Bürgerbegehren.

Man stelle sich vor es ginge nicht um ein Bürgerbegehren gegen eine Gebietsreform, sondern es handelte sich um die Neuauflage des Bürgerbegehrens „Für gerechte und bezahlbare Kommunalabgaben„ aus dem Jahr 2011 - welches 2013 auf Antrag der vormaligen Landesregierung höchstrichterlich für unzulässig erklärt wurde (VerfGH 22/11). Man stelle sich weiter vor die Rot-Rot-Grüne Landesregierung würde dies einfach durchwinken, immerhin haben ja Teile der jetzigen Landesregierung dies damals unterstützt. Ich wäre mir nicht sicher, ob selbsternannten Gralshüter direkter Demokratie der selbsterklärten Thüringenpartei zuerst „Verfassungsbruch“ schreien oder schnurstracks zum Landesverfassungsgericht rennen würden - im Zweifelsfall rennen sie schreiend, denn gemäß Artikel 82 Absatz 3 der Landesverfassung, Zitat: „Halten die Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Landtags die Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens für nicht gegeben oder das Volksbegehren für mit höherrangigem Recht nicht vereinbar, haben sie den Verfassungsgerichtshof anzurufen.“ hat nicht nur die Landesregierung die Pflicht, bei Zweifeln an der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens das Landesverfassungsgericht anzurufen. Das Drittel der Mitglieder des Landtages schaffen sie locker, gegen Rot-Rot-Grün hat man wenn es darauf ankam  schon immer geschlossen gestimmt…

Wie gesagt, es ist nicht mehr passiert, als dass das Landesverfassungsgericht die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens feststellen soll oder eben nicht. Eben jenes aber, entscheidet in der Sache und nicht nach politischem Kalkül. Es gibt also noch Hoffnung und die Demokratie lebt!
Dass es nicht frei vom Finanzvorbehalt entscheiden darf, liegt einzig und allein an der Fraktion, die als einzige über eine Sperrminorität für Verfassungsänderungen verfügt und als einzige eben diesen Passus erhalten will.