Mitmenschlichkeit zeigen!

Traudel Schelhorn

Mit Betroffenheit und Besorgnis verfolgte ich den Aufmarsch der Neonaziszene am Sonntag im Stadtteil Wolkenrasen. Nun hat die Szene uns erreicht, was sie sich schon immer erhoffte. Die Nazis haben ganz normale Bürger für ihre Ideologie vereinnahmt. Ihre hasserfüllten, menschenverachtenden und ausländerfeindlichen Parolen konnten sie ungehindert an den Mann und die Frau bringen.

Die Nazis haben in Sonneberg eine Bühne bekommen. Alle hörten und schauten zu. Keiner der Redner wurde mit Buh-Rufen oder Pfiffen gestört, wie man es Tage zuvor bei der Bürgerversammlung in der „Wolke 14“ gegenüber dem Minister Lauinger erleben konnte. Wenn ich dann lese, Behördenmitarbeiter und Lehrer reihten sich in die Demo der Nazis ein, wird mir angst und bange.

Wo sind wir hin geraten? Wo soll dies hin führen? In wessen Sinne werden die Kinder in den Schulen  unterrichtet? Werden ihnen Ideale wie Mitmenschlichkeit, Toleranz gegenüber Fremden vermittelt?

Hier geht es doch nicht mehr nur um eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge, sondern gegen Flüchtlinge im Allgemeinen. Menschlichkeit und Solidarität bleiben auf der Strecke. Das ist traurig und besorgniserregend. Zukunftsängste machen sich breit.

Ich frage mich immer wieder, hat schon einmal einer der „besorgten Bürger“ Kontakt mit einem Flüchtling gesucht? Sich über dessen Flucht und Schicksal informiert?

Zusammen mit anderen ehrenamtlichen Helfern arbeite ich in einer Kleiderkammer in Sonneberg. Die hier angekommenen Flüchtlinge werden mit Kleidung ausgestattet. Diese besteht ausschließlich aus Spenden der Bevölkerung aus dem Raum Sonneberg und Umgebung. Die Not und das Leid dieser Menschen spüre ich unmittelbar, und so habe ich seit Beginn dieser Tätigkeit so manche schlaflose Nacht. Ich tue dies aber mit Herzblut und Leidenschaft, um Menschen, die in Not geraten sind, zu helfen, ihnen den Einstieg in unsere Gesellschaft ein klein wenig zu erleichtern. Die Einzelschicksale berühren  sehr, zum Beispiel eine junge, hochschwangere Frau steht dir gegenüber, und sie besitzt nur das, was sie am Körper hat. Oder Kinder, ohne festes Schuhwerk, ohne Strümpfe, nur mit dünner Oberbekleidung. So sind sie hier angekommen. Mitten im Winter. Ich könnte noch einige Beispiele

anmerken. Diese Menschen brauchen unsere Hilfe, um in unserer Gesellschaft zurecht zu kommen. Sie sind dankbar, froh und herzlich. Sie alle hoffen, hier in Frieden leben zu können, und nicht in einem Deutschland voller Hass. Die meisten wissen wahrscheinlich nicht einmal, was in ihrem Umfeld hier in Sonneberg momentan geschieht. Persönlich würde ich mir wünschen, dass sich Politiker aller demokratischen Parteien, aber besonders

Politiker der Partei mit dem C im Namen, endlich sensibilisieren, Nächstenliebe leben und nicht mit ihren Beiträgen und Reden Öl ins Feuer gießen.

Traudel Schelhorn, Frankenblick