Chance verpasst
Der Sonneberger Stadtrat beschließt das Stadtteilentwicklungsprojekt Wolkenrasen und keiner hat's gemerkt...
Der Stadtrat beschließt das Stadtteilentwicklungsprojekt Wolkenrasen und keiner hat's gemerkt...
Mal wieder sind Weichen gestellt worden, mal wieder hinter halb verschlossenen Türen. Das in die Jahre gekommene Stadtteilentwicklungskonzept Wolkenrasen hat eine Fortschreibung bis ins Jahr 2035 bekommen (Link zum Konzept). Dazu habe ich im Namen unserer Stadtratsfraktion wie folgt Stellung genommen:
Sehr geehrter Vorsitzender, Herr Bürgermeister, liebe Kollegen,
bei allem gebotenen Respekt vor der Arbeit, die im vorliegenden Entwurf des Stadtteilentwicklungskonzepts Wolkenrasen steckt, aber die vorgeschlagenen Maßnahmen im Handlungskonzept bis 2035 sind nicht vollständig aus der Bestandserhebung und Bestandsanalyse ableitbar.
Es entsteht der Eindruck, dass hier vorrangig bauliche und gestalterische Maßnahmen aufgelistet sind, um die spätere Förderfähigkeit im Rahmen von Städtebauförderprogrammen abzusichern.
Daran ist auf den ersten Blick auch nichts Verwerfliches, doch was aber eindeutig fehlt, ist die Sicht der Wolkenrasener selbst. Es ist nicht ersichtlich, wie bspw. Schulen, Vereine, Träger sozialer Einrichtungen, lokale Wirtschaft etc. einbezogen wurden.
Der Beteiligungsprozess der Stadtteilbewohnerinnen und Bewohner erschöpft sich in genau einen Info-Abend, inklusive einer dort durchgeführten Kurzbefragung. Vor dem Hintergrund der Teilnahme zahlreicher NICHT-Wolkenrasener Stadträtinnen und Stadträte, relativiert sich darüber hinaus die angegebene Teilnehmerzahl von 20 auf nicht mal ein Dutzend Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils. Ob das bei einer Gesamtzahl von mehr als 3.500 Wolkenrasenern das Prädikat Zitat „mäßig gut besucht“ verdient, wag ich zu bezweifeln. Das hier nicht nachgesteuert wurde lässt dann keine anderen Schluss zu als zu vermuten, dass mehr gar nicht gewollt war.
Und letztlich kann ja auch gelten: einem geschenkten Gaul schaut man nicht aufs Maul, denn das fehlende Feedback hat ja nicht zur Folge, dass nichts passieren wird.
Die Frage allerdings, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen wirklich in dem Maße angenommen werden, wie erhofft, wird sich erweisen müssen. Ich meine hier auch ausdrücklich, das Dinge nicht nur benutzt werden, weil sie dann da sind, sondern aus gleichem Grund abgelehnt werden. Bürgerbeteiligung ist ja nicht nur bloßes Abfragen von Meinungen. Letztlich muss sie auch der Vermittlung von Handlungsmöglichkeiten und dem Aushandeln von Kompromissen dienen.
Zum Punkt „Bebauung – Struktur, Sanierungsstand & Leerstand“:
Hierzu haben sich meine Fraktion und ich uns schon mehrfach geäußert und es bleibt dabei:
Jeder Abriss von Wohnungen in der heutigen Situation bedeutet Vernichtung preiswerten Wohnraums. Neubau bringt – wenn er denn überhaupt kommt - höhere Mieten mit sich. Wie also soll der vernichtete preiswerte Wohnraum ausgeglichen werden? Darauf gibt das Konzept keine Antwort.
Dass es bei den Abrissentscheidungen weniger um Erfordernisse der Stadtentwicklung geht - auch über den Wolkenrasen hinaus, sondern vielmehr um rein wirtschaftliche Erwägungen der Wohnungsbau, darf getrost als Tatsache angenommen werden.
Was mir i.Ü. fehlt ist: Der Wolkenrasen bietet hervorragende Bedingungen, um im Sinne einer 15-Minuten-Stadt weiterentwickelt zu werden. Die Vorzüge sollten im Stadtteilentwicklungskonzept entsprechend wertgeschätzt werden und konsequent für das Stadtteilmarketing genutzt werden.
Zu den Betrachtungen der Bevölkerungsprognose:
Ich frage mich schon seit der ersten Vorstellung des Konzeptes, welchen Zweck die Darstellung der Bevölkerung mit und ohne Ausländerinnen und Ausländer dienen soll.
Dass in den Jahren 2015-2017 und seit Anfang 2022 deutlich mehr Menschen mit Migrationserfahrung in den Stadtteil gezogen sind als vorher bzw. zwischen 2018 und 2022, ist nachvollziehbar. Aber es bleibt unklar, wie genau das mittlere Szenario „ohne 2015-2017“ errechnet wurde. Darüber hinaus wird es auch in den kommenden Jahren Zuwanderung von Menschen mit Migrationserfahrung geben – und wir brauchen diese auch dringend.
Um nicht falsch verstanden zu werden:
Migrationserfahrung heißt nicht zwingend geflüchtet oder Asyl suchend und auf Geflüchtete bezogen sage ich: jeder und jede die vor Krieg, Verfolgung und Armut flieht ist ein Geflüchteter zu viel, nicht für uns, sondern um der Geflüchteten willen.